Beschreibung
Kultur – Literatur – Lernen – Interkultureller Literatur(-wissenschaft) und Pädagogik in der Hochschuldidaktik
Wiebke von Bernstorff (Hildesheim)
Begreift man Kulturen semiotisch als dynamische Zeichensysteme, lösen sich zum Einen die ideologischen Differenzen zwischen dem Interkulturalitäts- und dem Transkulturalitätsparadigma auf. Zum Anderen werden die Verbindungen zwischen den Disziplinen interkulturelle Erziehung und Interkulturelle Literaturwissenschaft deutlich. Auf der Grundlage dieser transdisziplinären Überschneidungen werden Vorschläge zu einer Verbindung beider Bereiche in der Hochschullehre gemacht. In deren Zentrum steht die Auffassung der Diskursivität von universitärer Lehre. Fluchtpunkt des vorgestellten Ansatzes ist die Idee der Befremdung an Stelle von Verstehen.
„Ich möchte lieber auf Deutsch sterben.“ Interkulturelles
Erzählen und Erziehen in Rafik Schamis Der Leichenschmaus
Bertin Nyemb (Yaoundé)
Dass Rafik Schami als wichtiger Vertreter interkultureller Literatur gilt, steht längst außer Frage. Seit knapp einem halben Jahrhundert produziert er deutschsprachige Texte, die durch ihre besondere, orientalisch gefärbte Ästhetik durchaus interkulturellen Charakter beanspruchen können. Der Beitrag will an einem konkreten, leicht zugänglichen
Textbeispiel darlegen, wie der deutsch-syrische Schriftsteller interkulturelles Erzählen literarisch konstruiert und inszeniert. Aufgezeigt werden soll, wie sich die Verknüpfung von biographischen, thematischen und ästhetischen Aspekten der Interkulturalität in der Erzählung Der Leichenschmaus manifestiert. Schamis Literatur, so das Fazit der vorliegenden Untersuchung, stellt einen Vorrat an Denk- und Handlungsweisen dar, die didaktisch aufbereitet und in der Hochschullehre erprobt werden können, um den Studierenden zu einem kompetenzfördernden Lernprozess zu verhelfen.
Das Potenzial interkultureller Literatur im DaF-Unterricht. Postkoloniale Perspektiven und Entwicklung von interkultureller Kompetenz am Beispiel von Christof Hamanns Usambara Judita
Kanjo (Ludwigsburg)
Der vorliegende Beitrag definiert interkulturelle Literatur als Literatur,die interkulturelle Aspekte auf thematischer oder formaler Ebene bzw.auf der Ebene der Rezeption oder Produktion aufweist. Es wird derFrage nachgegangen, wie solche Literatur zur Entwicklung interkultureller Kompetenz als einer universellen, nicht sprachspezifischen Fertigkeit beitragen kann. Anhand von Christof Hamanns kolonialkritischem Roman Usambara wird aufgezeigt, wie interkulturelle Reflexionsleistungen in diesem Kontext angestoßen werden können. Differenziert wird das Potenzial des Textes je nach Ausgangsperspektive derDaF-Lernenden. So ist eine Sensibilisierung für die Gegenwart undVergangenheit Afrikas für europäische Germanistikstudierende bedeutend, während afrikanische Studierende den fremden Blick auf das Eigene fokussieren könnten. Gleichermaßen interessant für beide Gruppen ist eine Auseinandersetzung mit der Kolonialvergangenheit desZielsprachenlandes und mit dem bis zur Gegenwart währenden Einfluss dieser Zeit auf seine Fremdbilder.
Interkulturelles Lernen in der Lehramtsausbildung
Becker (Dortmund)
In der Hochschulausbildung ist die Vermittlung interkultureller Kompetenzen vor allem dann bedeutsam, wenn es um die Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte geht. Im Zentrum des Beitrags steht zunächst die Frage, welche Kompetenzen in Hochschulveranstaltungen gefördert und welche besonderen Fähigkeiten im Umgang mit interkulturellen Texten ausgebildet werden sollen. In einem zweiten Schritt werden drei Lern- und Lehrziele behandelt, die in der hochschuldidaktischen Arbeit mit Studierenden leitend sind: Theorien und Modelle der Interkulturellen Literaturwissenschaft kennen, analysieren und reflektieren lernen, interkulturelle Texte recherchieren und kriteriengestützt beurteilen können, literaturdidaktische Arrangements schüler- und lebensweltorientiert gestalten.
Interkulturelle Literatur im Germanistik- und DaF-Studium: Kompetenzen, (didaktische) Möglichkeiten und Perspektiven Antonella Catone (Cosenza)
Interkulturalität, Mobilität, Globalität und die resultierenden Kulturunterschiede und Kulturbeziehungen gehören heute in unseren Bildungseinrichtungen zum Alltag. Interkulturelles Lernen als pädagogisches Prinzip gewinnt zunehmend an Bedeutung, und es wurde in den letzten Jahren zunehmend mit dem Studium der Literatur insbesondere in fremdsprachlichen Kontexten in Verbindung gebracht. In diesem Beitrag geht es um den Zusammenhang zwischen der interkulturellen Literatur, dem interkulturellen Potenzial ihrer Werke und ihren Auswirkungen auf das didaktische Schaffen. Konkret untersucht wird sowohl, wie interkulturelles Lernen und Verstehen durch einige interkulturelle Texte im DaF-Literaturunterricht vermittelt werden kann als auch, wie die interkulturelle Kompetenz durch die Rezeption der Literatur gefördert werden kann. Im Anschluss daran werden methodische und didaktische Ansätze für die Lehrpraxis vorgeschlagen.
L‘ « écriture de l’entre-monde » dans l’œuvre narrative d’Edwidge Danticat
Elise Nathalie Nyemb (Yaoundé)
L’objectif de cette réflexion est de montrer qu’au regard des techniques poétiques et esthétiques employés par Edwidge Danticat, beaucoup de ses textes narratifs sont une illustration du ZwischenWeltenSchreiben, c’est-à-dire d’une « écriture de l’entre-monde ». Il s’agit d’un concept littéraire développé par le critique allemand Ette traduisant le transculturalisme, le cosmopolitisme et l’hétéroglossie que l’on peut déceler dans un texte. Dans l’œuvre narrative de Danticat, le transculturalisme se manifeste à travers la pratique de l’oraliture. Le cosmopolitisme découle du brassage des formes narratives qui oscillent entre le roman et le témoignage. Pour ce qui est de l’hétéroglossie, elle est liée au multilinguisme, le mélange du français, de l’anglais et du créole. A partir d’une grille de lecture postcoloniale, nous voulons démontrer d’une part, que la romancière met en exergue son identité hétéroclite et son hybridité culturelle. D’autre part, enseigner Danticat à l’université, peut favoriser l’acquisition, par les étudiants, des compétences interculturelles, facilitant leur insertion dans le monde (du travail) planétaire.
Neuere deutschsprachige Afrikaromane als Thema afrikanischer Germanistik
Karl Esselborn (München)
Afrikanische Germanistik versteht sich als eine Interkulturelle Literaturwissenschaft, die eine fremde Sprache, Kultur und Literatur mit der Eigenen in Vergleich setzt und dabei vor allem bestehende historische und aktuelle Beziehungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede ins Auge fasst. Diese werden besonders in der deutschen Afrikaliteratur greifbar, in ihren (post)kolonialen Traditionen bzw. in der gegenwärtigen breiten Unterhaltungsliteratur zum exotischen Sehnsuchtsland Afrika, die deshalb einen idealen Ansatzpunkt zur Untersuchung der wechselseitigen Wahrnehmung in klischeehaften Bildern, Phantasien und Wünschen bieten. Ein orientierender Überblick (für eher didaktische Zwecke) über die ganz unterschiedlichen Bereiche der deutschsprachigen Afrikaliteratur, von der Informations- und Reiseliteratur, der Kolonialgeschichte, den unterhaltsamen Frauen- und Liebesromanen bis zu einem postmodernen Umgang mit Afrikathemen in freieren literarischen Formen, soll dabei helfen.
Die Sprache des Anderen: der koloniale Diskurs in Kleists Erzählung Die Verlobung in St. Domingo Hyacinthe
Ondoa (Yaoundé)
Der vorliegende Aufsatz untersucht einen kurz vor seinem Tod veröffentlichten Text von Heinrich von Kleist, einem kanonischen Autor der deutschen Literatur. Kleist gilt in der etablierten deutschen Literaturgeschichtsschreibung als radikaler Kämpfer für die Freiheit, der in seinem Werk dem individuellen und kollektiven Emanzipationsbestreben höchste Bedeutung beimisst. Im Beitrag wird der Versuch unternommen, Kleists Erzählung Die Verlobung in St. Domingo mit dem kolonialen Diskurs in Zusammenhang zu bringen. Es wird zu zeigen sein, dass Kleists Text in dem zeitgenössischen historiographischen Diskurs völlig aufgeht. Dabei wird dem Prozess der „Umdeutung“ bzw. „Übersetzung“ der revolutionären Sprache der Sklaven besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Heinrich von Kleists Die Verlobung in St. Domingo: Antwort auf den Aufsatz von Hyacinthe Ondoa zum kolonialen Diskurs in dieser Novelle Helga Gallas (Bremen)
Kleist ist kein „radikaler Freiheitskämpfer“, aber diese Novelle hat eine politisch-emanzipatorische Dimension, die sich erst auf den zweiten Blick zeigt. Über den Kleistschen Erzähler ist viel geschrieben worden – er ist kein ‚normaler’ auktorialer Erzähler, von dem der Leser Orientierung erwarten kann. Zwar sprechen in Kleists Novelle der Erzähler und die weißen Protagonisten aus einer „weißen“ Perspektive. Das Interessante und Überraschende an Kleists Erzählweise ist aber, wie dieser koloniale Diskurs unterminiert wird. Dem Text ist ein zweiter, ein Subtext, unterlegt, der die expliziten Aussagen des Erzählers und der Figuren ständig in Frage stellt oder widerlegt. Statt Verharmlosung der Gewalt der Sklavenhaltergesellschaft ergibt dieser Subtext: gerechtfertigte Vertilgung der (weißen) Gottlosen mit Feuer und Schwert.
Reviews
There are no reviews yet.